Wenn mich die Muse küsst…

Inspiration kann so vieles sein. Ein Stück Musik, ein Gespräch mit der Familie, mit Freunden. Ein Lichteinfall. Es gibt unzählige Möglichkeiten und manchmal überfordern einen diese Dinge. Wenn ich mit einer Person durch die Gegend ziehe, ist das für mich ein sehr anstrengender Akt. Ich hab ein ungefähres Bild im Kopf, möchte aber trotzdem in den Stunden, in denen ich mich der Fotografie widme, kein Motiv entgehen lassen. Also kombiniere ich jeden Fleck der Umgebung mit meinem Model und meinen Gedanken. Was könnte gut aussehen? Was passt zu meinem Model? Was passt zu meiner Bildsprache? Wie könnte die Nachbearbeitung aussehen?Oft sind es die kleinen unauffälligen Ecken, die dann das gewisse Etwas in den Bildern ausmachen. Manchmal eine Hecke im Vorgarten eines Hauses, eine vertrocknete alte Straße oder ein einfacher Apfelbaum. Die Locations, die am spektakulärsten aussehen, sind meist schwer zu erfassen – was nützt dir ein riesengroßer Raum, wenn du keine Emotion in diesem Raum einfangen kannst?Ich merke immer wieder, wie wichtig es auch ist, dass dein Model zu dir und deinen Bildern passt. Dass man sich auf einer menschlichen Ebene versteht. Wenn ich keinen Draht zu meinem Model finde, finde ich am Ende auch oft keinen Draht zu mir selbst und dann finde ich auch keinen Draht zu den Bildern, die wir gemeinsam erstellt haben.Und dann gibt es noch diese magischen Momente, wenn gefühlt jedes Bild, das du machst, funktioniert; sich jede Idee, die sich gerade in deinem Kopf befindet, umsetzen lässt. Solche Shootings hab ich vielleicht zwei bis dreimal im Jahr, da macht es klick und du bist wie mit deiner Kamera, deiner Umgebung und deinem Model verschmolzen. Alles harmoniert und ist auf einer Ebene.Nach so einem Shooting bricht die ganze innere Anspannung in mir auseinander und ich werde unerträglich müde, ganz ruhig und probiere die Bilder, die man gemeinsam geschaffen hat, zu ordnen. Dann lade ich meist die Bilder noch auf den Computer und mach den PC dann aus, schlafe eine Nacht drüber und sortiere dann am nächsten Tag die Bilder. Etwas Abstand zwischen dir und dem eigenen Shooting ist wichtig. Sonst geht man mit der Euphorie, die man während des Shootings gefühlt hat, in die Bearbeitung hinein und das ist dann meist enttäuschend. Man brauch zumindest etwas Abstand, um mit klaren Kopf die Auswahl zu treffen.Als ich einen guten Artikel über Maggie Rogers las und ich das erste Mal ihren Song „Alaska“ hörte, fühlte ich mich wie vom Blitz getroffen. Gänsehaut am ganzen Körper, Tränen stiegen in mir auf, die Sehnsucht machte sich breit. Da ist eine Person, die die Musik liebt. Man erkennt die Leidenschaft, die sie in sich trägt. Es gibt kaum etwas, was einen wie Musik so ergreifen kann. Außer vielleicht die Fotografie, entweder man hört etwas und ist sofort gefesselt oder aber man sieht etwas und kann davon den Blick nicht lassen.

Musiker und Fotografen gibt es wie Sand am Meer. Was gibt einem Lied oder einem Foto den Ausdruck? Es kann nicht um technische Perfektion gehen, es muss um die Seele gehen. Es geht um dein Inneres; was du denkst, bringst du entweder auf Papier oder in ein Foto. Oft habe ich dabei das Gefühl es fehlt mir selbst etwas. Dabei sollte man mittlerweile wirklich nicht mehr drauf achten, was gerade angesagt und cool ist. Dadurch verbiegt man sich nur und probiert zu wenig aus. Nur wenn du dich frei von anderen machst, kannst du deinen eigenen Stil finden – ob der Stil jetzt „gefeiert“ wird oder nicht, kann dir scheißegal sein. Wenn du mit Hingabe fotografierst, wirst du dich selbst ein Stückchen besser durch die Fotografie kennenlernen.
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Martin Neuhof

Ich bin geborener Leipziger, ein Fotograf und aktiver Mensch. Ich schreibe seit 2005 Dinge ins Internet. Hier findet ihr eine Mischung aus den Themen Fotografie, Aktivismus und Politik.

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