Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Facebook-Seite von NoLegida.
Als ich dieses Foto sah, bekam ich Gänsehaut. Mein Opa (selbst auch Fotograf) hat es im Dezember 1989 geschossen. Ich war zu dem Zeitpunkt fünf Jahre alt. Zu jung um die Themen, die Leipzig 89 bewegt haben, zu verstehen. Heute 27 Jahre später laufen Leute mit Schweineköpfen vor dem Naturkundemuseum, um die Werte unseres Abendlandes zu verteidigen. Es ist abscheulicher denn je, wo wir gelandet sind.
Huch, da wurde ein Flüchtling angegriffen? Hach, da brennt wieder eine Unterkunft. Ach die AfD hat über 20 Prozent im Landtag… Es ist für viele einfach Alltag geworden. Kaum noch der Rede wert. Anderthalb Jahre NoLegida, bedeuten für mich, sich immer noch klar zu positionieren, in Leipzig keinen Platz für rechte Ideologien zu lassen. Etliche Kämpfe im Netz aber auch im privaten habe ich zu diesem Thema ausgetragen. Sich klar zu positionieren heißt: Kampf, heißt Freundschaften zerbrechen, heißt Stellung zu beziehen. Mittlerweile fühle ich mich allein gelassen, in meinem Umfeld (außerhalb von No Legida) nervt es jeden nur noch. Freunde, die mit mir gemeinsam auf die Demo gehen? Fehlanzeige. Sich aber gleichzeitig für ein gemütliches „Grillerchen“ im Rosental treffen können sie. Wir müssen auch nach 18 Monaten noch Zeichen setzen. 89 hat nur funktioniert, weil man beständig auf Veränderung aus war. Seht ihr nicht die Gefahr, die da sich gerade in unseren Landtagen und in der Mittelschicht breitmacht? Alle Statistiken beweisen, dass es europaweit einen deutlichen Rechtsruck gibt und die Mehrheit faltet Hände und wartet ab.
Als ich am Montag nach Hause gekommen bin, begegnete ich eine älteren Nachbarin, die sich maßlos über diese „scheiss Demos“ aufregte, sie hätte ja eine Stunde nach Hause gebraucht, für einen sonst zehnminütigen Weg. Wir sind „Ich“ bezogen, weil wir Dinge nur aus unserer eigenen Perspektive sehen können. Dass man probiert, Werte zu „verteidigen“, sieht die ältere Dame nicht, sie sieht nur eine Straßensperrung, die ihren Nachhauseweg unnötig verlängert.
Wir müssen für mehr Verständnis werben, wir müssen gerade in privaten Gesprächen klar Stellung beziehen. Natürlich strengt das ungemein an, aber wir haben es -noch- in der eigenen Hand. Nehmt euch Auszeiten, sobald ihr sie selbst braucht, aber kommt dafür immer wieder zurück.
Trotzdem bin ich glücklich darüber, wer alles auf so eine Demo kommt und wie vielfältig der Gegenprotest ist. Es ist nicht selbstverständlich, dass sich nach 18 Monaten immer noch über 1000 Leute finden lassen, die gegen Legida auf die Straße gehen. Danke. Es könnten aber auch gerne 4000-5000 Menschen sein.
Martin <3
Bildunterschrift: ADN-ZB Gahlbeck 4.12.89 Leipzig: Demonstration- 150.000 Bürger der Messestadt versammelten sich zu einer Kundgebung auf dem Karl-Marx-Platz. Auf Transparenten wurden die unterschiedlichen Standpunkte zur weiteren politischen Entwicklung der DDR und ihr Verhältnis zur BRD deutlich.