Als Fotograf Vater werden

Als Fotograf – Vater werden

Im Oktober 2019 war noch alles anders...

Bevor ich im Juni 2020 Vater geworden bin, dachte ich, ach komm, so viel wird sich nicht verändern. Du wirst alles weiterhin schaffen und es wird weiterlaufen, nur mit einem weiteren wundervollen Menschen in deiner Familie. Es klingt wohl abgedroschen, aber ich lag so meilenweit daneben mit meiner Einstellung, dass ich auch erst jetzt, dreieinhalb Jahre nach der Geburt diesen Text schreiben kann.
Es hat sich einfach -alles- verändert. Meine Einstellung zu sehr vielen Dingen hat sich gedreht und gewendet, dass ich jetzt erst langsam realisiere, wie fundamental diese Einschnitte waren. Als wir schwanger wurden, gab es noch kein Corona, keinen Ukraine-Krieg, kaum Inflation. Es hat sich was verändert in mir und während dieser über drei Jahre in fast allen Menschen. Ein diffuses Gefühl von: “Oh, was ist eigentlich, wenn bald alles für alle vorbei ist?”.

Elternsein ist hart, man lernt sich und seinen Partner von einer neuen Seite kennen.

Man hat viel mehr Druck, viel weniger Zeit, man steht unter Schlafmangel. Ein Kind bringt das Beste und das Schlechteste in einem zum Vorschein. Man reflektiert vielmehr sein eigenes Verhalten, man hinterfragt ständig. Was möchte ich für mein Kind? Was möchte mein Kind? War mein Verhalten jetzt richtig? Wie kann ich es besser machen? Was mache ich schon gut? Wo können wir als Paar zusammen arbeiten? Was kann die Mutter besser als der Vater? Was kann der Vater besser als die Mutter? Wie schaffen wir es, halbwegs gleichberechtigt die Dinge zu erledigen? Wäre ein Haus mit Garten nicht besser für den Kleinen? Wollen wir wirklich unser Stadtleben aufgeben? Mir würden jetzt noch 100 weitere Fragen einfallen, die man sich vorher einfach so noch nie gestellt hat.

Dann kam irgendwann auch ein Gefühl, was ich so noch nicht kannte, ich hatte keine Lust mehr auf freie Projekte, einfache Shootings, in dem ich mich kreativ ausleben kann.

Weil ich so ausgelaugt war und ich so satt von meinem eigenen Bildstil war. Ich glaube, diese Gedanken haben viele Fotograf*innen immer mal, aber so ein Gefühl hatte ich noch nie. Daher war es extrem eigenartig, durch diese Zeit zu gehen. Mittlerweile habe ich aber wieder kreative Schaffenskraft, die eben nicht so selbstverständlich ist, wie ich sie immer gehalten habe.

Ich ziehe in meiner Selbstständigkeit eine klare Grenze, es gibt kaum noch Studiotage, die bis 19 Uhr gehen. Ich entscheide mich eher “schnell” durchzuziehen, um dann mehr Zeit mit meinem Sohn zu verbringen. Es ist krass zu sehen, wie produktiver man mit mehr Zeitdruck sein kann. Wochenenden sind auch (außer Hochzeiten im Sommer) Familienzeit. Es gibt kein freies Projekt mehr an Wochenenden. Nach über 3,5 Jahren “Vaterschaft” sieht man auch, wie schnell sich so ein kleiner Mensch verändern kann und ich werde den Teufel tun, meinen Job oder meine Leidenschaft über meine Familie zu stellen. Er ist jetzt klein, in ein paar Jahren wird er sich hoffentlich an einen Vater erinnern, der viel Zeit mit ihm verbracht hat. Das ist meine Priorität, die paar Jahre, die man zusammen als Kernfamilie hat, auch zu nutzen.

Dabei möchte ich aber auch nicht aus dem Auge verlieren, in was für eine Welt er aufwächst. Also muss es mit ein paar Projekten weitergehen (z.B. Herzkampf), auch gerne langsamer, aber die Kernaussage, in einer freien demokratischen Welt aufzuwachsen, ohne auf staatliche Repressalien zu treffen, wird wichtiger. 

Mein Sohn soll glauben, lieben und handeln wie er will,
dafür stehe ich auf, gerade auch im Januar 2024.

Natürlich gehen diese Dinge im Alltag oft unter, gerade wenn du Sonntag 5:30 aufstehst, weil der Kleine was spielen möchte. Aber über was für einen Zeitraum reden wir hier? 5-10 Jahre? Das halten wir durch.

Lio Liebe.

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